Informationspflicht des Paketzustellers über abgestellte Sendung

In einem vom Bundesgerichtshof (BGH) am 7.4.2022 entschiedenen Fall verwendete ein Paketdienstleister in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen u. a. folgende Klausel: „Hat der Empfänger eine Abstellgenehmigung erteilt, gilt das Paket als zugestellt, wenn es an der in der Genehmigung bezeichneten Stelle abgestellt worden ist.“

Der BGH entschied, dass diese Bedingung Verbraucher unangemessen benachteiligt, da sie den Dienstleister nicht verpflichtet, den Empfänger über die erfolgte Abstellung zu informieren und damit in die Lage versetzt, die Sendung bald an sich zu nehmen.

Die BGH-Richter führten aus, dass die Zulassung dieser Form der Zustellung grundsätzlich den Interessen aller Beteiligten entspricht, weil sie die Zustellung beschleunigt und vereinfacht. Sie birgt jedoch auch die Gefahr, dass Sendungen nach dem Abstellen von Unbefugten an sich genommen werden. Es liegt in der Natur der Sache, dass der Empfänger eine Abstellgenehmigung nur für solche Orte erteilen kann, die für den Zusteller – und damit auch für Dritte – frei zugänglich sind. Dadurch entsteht das Risiko, dass die Sendung nach der Abstellung entwendet wird.

Dieses Risiko ist besonders groß, wenn die Abstellgenehmigung nicht nur für eine konkrete Sendung, sondern im Voraus generell für eine Vielzahl von Sendungen erteilt wird. Gerade in solchen Fällen ist nicht gewährleistet, dass der Empfänger von einer bestimmten Sendung erfährt und davon in Kenntnis gesetzt wird, dass er sie durch das Aufsuchen der in der Genehmigung bezeichneten Stelle in Besitz nehmen und dem Zugriff Unbefugter entziehen kann.

Diesem Risiko kann nur dadurch begegnet werden, dass der Empfänger vom Zusteller über die erfolgte Abstellung informiert wird, um dann die Sendung bald an sich zu nehmen, bevor es hierzu nicht berechtigte Dritte tun.



Doppeltes Bußgeld wegen Vorsatz bei Tempoüberschreitung

In einem vom Oberlandesgericht Hamm entschiedenen Fall fuhr ein Autofahrer auf einer Autobahn viel schneller als erlaubt und wurde geblitzt. Aufgrund der sehr hohen Geschwindigkeitsübertretung warf die Behörde dem Fahrer Vorsatz vor und verdoppelte das Bußgeld. Dagegen erhob dieser Einspruch mit der Begründung, dass Vorsatz nur dann vorliegen kann, wenn er die gefahrene Geschwindigkeit genau gekannt hätte.

Der Umstand, dass einem Betroffenen der Umfang einer Geschwindigkeitsüberschreitung möglicherweise nicht exakt bekannt ist, steht der Annahme von Vorsatz nicht entgegen. Vorsätzliches Handeln setzt eine solche Kenntnis nicht voraus. Es genügt das Wissen, schneller als erlaubt zu fahren.



Schadensersatz bei gescheitertem Grundstückskauf

In einem vom Bundesgerichtshof am 24.9.2021 entschiedenen Fall hatte der Käufer einer Immobilie den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung wirksam angefochten. Er verlangte vom Verkäufer die Rückzahlung des Kaufpreises – hilfsweise Zug um Zug gegen Rückübertragung des Grundstücks – sowie Zahlung von Schadensersatz, darunter auch den Ersatz der für die Maklerprovision und die Grunderwerbsteuer aufgewandten Beträge.

Die von ihm an den Makler gezahlte Provision und entrichtete Grunderwerbsteuer stellen ersatzfähige Schadensersatzpositionen und nutzlose Aufwendungen dar.

Ersatz- oder Rückforderungsansprüche, die dem von einer Pflichtverletzung Betroffenen gegenüber Dritten (z. B. Fiskus, Makler) entstehen, schließen die Annahme eines Schadens im Verhältnis zu ihm und dem für die Pflichtverletzung Verantwortlichen nicht aus. Der Geschädigte muss sich nicht darauf verweisen lassen, dass er einen Anspruch gegen einen Dritten hat, der zum Ausgleich seiner Vermögensbeeinträchtigung führen könnte. Es steht ihm in dieser Situation frei, wen er in Anspruch nimmt.

Nimmt er den Verkäufer in Anspruch, sind die Erstattungsansprüche gegenüber dem Makler und dem Fiskus an diesen abzutreten. Dadurch soll er den Aufwand, der mit der Durchsetzung des anderen – durch die Pflichtverletzung entstandenen – Anspruchs verbunden ist, und das diesbezügliche Insolvenzrisiko auf den Schädiger verlagern können.



Ausgleichsleistungsanspruch für Flugverspätung gegen Nicht- EU-Luftfahrtunternehmen

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied am 7.4.2022 über den nachfolgenden Sachverhalt: 3 Fluggäste buchten über ein Reisebüro mit einer einzigen Buchung bei Lufthansa einen Flug von Brüssel (Belgien) nach San José (Vereinigte Staaten) mit Zwischenlandung in Newark (Vereinigte Staaten). Der gesamte Flug wurde von United Airlines, einem in den Vereinigten Staaten ansässigen Luftfahrtunternehmen, durchgeführt. Die Fluggäste erreichten ihr Endziel mit einer Verspätung von 223 Minuten. Aufgrund der EU-Fluggastrechteverordnung wurde eine Ausgleichsleistung von United Airlines gefordert.

Fluggäste eines verspäteten Fluges können von einem Nicht-EU-Luftfahrtunternehmen eine Ausgleichsleistung verlangen, wenn dieses Unternehmen den gesamten Flug im Namen eines EU-Luftfahrtunternehmens durchgeführt hat, entschieden die EuGH-Richter. Sie wiesen darauf hin, dass ein Flug mit einmaligem oder mehrmaligem Umsteigen, der Gegenstand einer einzigen Buchung war, für einen Ausgleichsanspruch der Fluggäste eine Gesamtheit darstellt. Die Anwendbarkeit der Fluggastrechteverordnung muss nämlich im Hinblick auf den ersten Abflugort und das Endziel des Fluges beurteilt werden.

Der Gerichtshof hat außerdem klargestellt, dass das Nicht-EU-Luftfahrtunternehmen (United Airlines), das mit den Fluggästen keinen Beförderungsvertrag geschlossen hat, den Flug aber durchführt, die Ausgleichsleistung für Fluggäste schulden kann. Das Luftfahrtunternehmen, das im Rahmen seiner Tätigkeit der Beförderung von Fluggästen die Entscheidung trifft, einen bestimmten Flug durchzuführen – die Festlegung der Flugroute eingeschlossen – ist nämlich das ausführende Luftfahrtunternehmen.



Gewerbemiete trotz Corona-Schließung

Während des sog. „Lockdowns“ Ende 2020 mussten viele Geschäfte schließen. Die Mietverträge liefen trotzdem weiter, obwohl häufig kein Gewinn mehr erwirtschaftet werden konnte. Der Gesetzgeber hat darauf mit einem neuen Gesetz reagiert, nach dem ein „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ vermutet wird, wenn die gemieteten Räumlichkeiten wegen des Lockdowns nicht oder nur noch mit erheblichen Einschränkungen verwendet werden können. Darauf berief sich auch ein Möbelhaus in Osnabrück und verlangte die Reduzierung der Miete für eine angemietete Lagerhalle.

Das Oberlandesgericht Oldenburg entschied am 29.3.2022 dazu, dass kein Anspruch auf eine Anpassung der Miete besteht, da die Lagerhalle in der Lockdown-Zeit durchaus nutzbar war. Die Firma hatte die Möbel nämlich online vertrieben und auch stationäre Verkäufe über „click & collect“ getätigt. Die Lagerhalle war in ihrer Funktion durch den Lockdown daher gerade nicht betroffen gewesen. Etwas anderes könnte ggf. für das Ladengeschäft selbst gelten.

Die Revision zum Bundesgerichtshof wurde zugelassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat und noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ob die neue Gesetzesregelung auch auf Lagerhallen anzuwenden ist.